Dass die Vorteile von Tempo 30 insbesondere bei engeren, kürzeren Strassenabschnitten innerorts sowohl wegen der Verkehrssicherheit, als auch wegen des Lärms unbestritten sind - sogar auf Kantonsstrassen, räumen auch die Behörden von Steffisburg und des Tiefbauamts des Kantons Bern ein, das am 27.5.2022 verfügte:
Strassenabschnitt: Unterdorfstrasse; Dükerweg bis Zulgstrasse. [Unterdorf Steffisburg]
Verkehrsanordnung: Höchstgeschwindigkeit 30 km/h (SSS-Signal Nr. 2.30).
Grund der Massnahme: Die Massnahme
dient der Erhöhung der Verkehrssicherheit im Allgemeinen und
besonders dem Langsamverkehr, der Verstetigung des Verkehrsflusses
zwischen zwei Kreisverkehrsplätzen und der Anpassung des
Geschwindigkeitsregimes an die neue Strassenraumgestaltung. Es
wird damit ein flächiges Queren für Fussgänger und das Einmünden
des Verkehrs insbesondere aus der Erlenstrasse erleichtert. Die
vorgesehene Reduktion der Höchstgeschwindigkeit dient zudem dem
Lärmschutz.
Da kaum jemand mit mehr als 30 km/h durch einen Kreisel fährt, wird mit der kantonalen Massnahme unnötiges Beschleunigen auf 50 km/h in den 240 Meter zwischen den Kreiseln vermieden, was höchstens 11.5 Sekunden Zeitgewinn verschaffen könnte, aber - selbst bei der Nutzbremsung elektrischer Fahrzeuge - Energie vernichtet - und bei den anderen einen zusätzlichen Ausstoss von Abgas, CO2 und Feinstaub (Abrieb von Reifen und Bremsbelägen) verursachen würde.
Selbstverständlich würden auch die meisten
BenutzerInnen und AnwohnerInnen der anderen Hauptstrassen von
einer solchen Massnahme profitieren, wie wir mit der Petition
anregen. Auf Abschnitten, die auf Grund ihrer geraden Länge und
Breite bei Tempo 30 den Bau von künstlichen Schikanen mit sich
ziehen würde, und paradoxerweise zum Abbau der
Fussgängerstreifen samt Mittelinseln führen würde, schlagen wir in
der Petition (nur hier) die Möglichkeit von Tempo 40 vor.
Für die folgenden Angaben danken wir den verlinkten Urhebern sowie dem Kommitee Schulstrasse Thun - Tempo 30.
Mit Tempo 30 ist der Anhalteweg mit rund 20 m viel kürzer als bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h. Nach 20 m befindet sich der Automobilist mit 50 km/h noch in der Reaktionsphase.
Die Sterbewahrscheinlichkeit von Fussgängern ist bei einer
Kollision mit einem Motorfahrzeug mit 50 km/h rund sechsfach höher
als bei einer Kollision mit 30 km/h.
Abbildung: Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU liefert Fakten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei Tempo 30: «So ist die Sterbewahrscheinlichkeit für Fussgängerinnen und Fussgänger bei einer Kollision mit einem Fahrzeug, das 50 km/h schnell unterwegs ist, um das Sechsfache höher als bei 30 km/h.» Dies aufgrund des grösseren Anhaltewegs und der höheren Sterbewahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Kollisionsgeschwindigkeit, siehe Abbildung. Im Sicherheitsbarometer 2021 der BFU wird ausgewiesen, dass insbesondere Seniorinnen und Senioren verhältnismässig oft schwer verletzt werden und Kinder auf Schweizer Strassen gefährdeter sind als anderswo (Vergleich Sterberate bei Verkehrsunfällen mit anderen Ländern). Um den Strassenverkehr sicherer zu machen, empfiehlt die BFU die konsequente Einführung von Tempo 30 innerorts. Denn damit liesse sich mindestens ein Drittel der schweren Unfälle verhindern.
Das Bundesamt für Umwelt BAFU weist eine Geschwindigkeitsreduktion von 50 km/h auf 30 km/h als wirkungsvolle Massnahme aus: Reduktion des durchschnittlichen Schallpegels um 3dB(A). Das bedeutet eine Halbierung des Strassenlärms!
Das BAFU schreibt weiter:
Bei 30 km/h ist der Verkehr flüssig. Brems- und Beschleunigungsvorgänge nehmen ab.
Lärmintensive Beschleunigungen kommen viel weniger vor.
Eine einfache Signalisation (wenn respektiert) ohne bauliche Elemente reicht aus, um den Lärm mit einem Tempo 30 Strecke oder einer Tempo 30 Zone deutlich zu reduzieren.
Im Stadtrat von Thun (Parlament) sind einige Vorstösse zur Verkehrssicherheit in Thun eingereicht worden (parlamentarischen Vorstösse, link):
I 21/2008: Tempo 30 auf dem ganzen Gemeindegebiet der Stadt Thun
I 4/2009: Umsetzung des bfu-Modells Tempo 50/30 innerorts in Thun
I 28/2017: Stand Lärmschutzmassnahmen - sind Schadensersatzforderungen zu erwarten und wie sieht es mit kostenloser Massnahme Temporeduktion aus
P 7/2020: Tempo 30 für sichere Schulwege
P 14/2022: Konzept "Tempo 30 im Siedlungsgebiet" von Thun (Postulat, hängig)
In den letzten Jahren hat sich die gesellschaftliche Haltung zum
Verkehr, dessen Auswirkungen und insbesondere zur Einführung von
Tempo 30 gewandelt. Dies legitimiert Petitionen mit ähnlichem
Ziel. Der Wandel zeigt sich exemplarisch an folgenden Städten:
Münsingen hat grosse Bereiche des Strassennetzes bereits jetzt mit Tempo 30 signalisiert und wird in den kommenden Jahren Tempo 30 auch auf den Hauptstrassen und Durchgangsstrassen umsetzen. Dies wurde durch das Bundesgerichtsurteil (BGE 136 II 539) bestätigt.
Zürich will bis 2030 weitgehend Tempo 30 einführen, dies zum Schutz der Bevölkerung vor übermässigem Strassenlärm.
In allen spanischen Städten gilt seit Mai 2021 Tempo 30 für alle Strassen mit nur einer Fahrspur je Richtung. Damit sollen die Unfallzahlen und die Schwere von Unfällen gesenkt werden.
In Paris gilt seit Ende August 2021 weitgehend Tempo 30, dies zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, zur Reduzierung des Lärmes und als Beitrag zum Klimaschutz.